2020 / 10
SOZIALE UNTERSTÜTZUNG IN ZEITEN DER KRISE
Wohin führt die Salzburger Ausführung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes?
Durch Covid-19 wurde der Wert einer gut ausgebauten Mindestsicherung sichtbar. Trotz dieser Erfahrung verabschieden sich die Bundesländer nach und nach von der Mindestsicherung und setzen die viel kritisierten Vorgaben des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes um. Eine neue Verordnung verdeutlicht, dass sich die negativen Auswirkungen der Bundesvorgaben auch in Salzburg nicht weiter aufschieben lassen.
Erschwerter Zugang zu Leistungen
Bereits der Zugang zur Sozialunterstützung wird durch das sozialpolitisch rückwärtsgewandte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) für bestimmte Gruppen wesentlich erschwert: Während für den Erhalt von Mindestsicherung als persönliche Voraussetzung ein gewöhnlicher Aufenthalt im Land Salzburg ausreichend ist, muss mit Inkrafttreten des Salzburger Sozialunterstützungsgesetzes (SUG) ein tatsächlicher und dauernder Aufenthalt zusätzlich zum Hauptwohnsitz nachgewiesen werden. Darüber hinaus wird aufgrund der Bundesvorgaben die Möglichkeit einer freiwilligen Leistung für sog. Fremde, die sich seit weniger als 5 Jahren im Inland aufhalten, zur Gänze aus dem SUG genommen.
Tiefgreifende Veränderungen im Bereich Wohnen
Bislang wurden Hilfen zur Beibehaltung und Ausstattung von Wohnraum auch Personen außerhalb der Mindestsicherung gestattet, mit dem neuen Gesetz ist der Bezug von Leistungen aus der Sozialunterstützung Bedingung hierfür. „Diese Verschiebung von Anspruchsberechtigten ist in Anbetracht der aktuellen Krise besonders problematisch. Schulden aus Mietstundungen und Einkommensverlusten betreffen viele in Salzburg lebende Menschen, auch jene, welche keinen Anspruch auf Sozialunterstützung haben. Gerade hier braucht es schnelle unkomplizierte Maßnahmen um zu vermeiden, dass immer mehr Menschen in die Armutsfalle geraten.“, betont Bayer, Sprecherin der Salzburger Armutskonferenz.
Per Verordnung konnten aber auch Verbesserungen im Bereich der Rechtssicherheit erzielt werden. So haben Betroffene künftig ein Recht auf die Auszahlung eines erweiterten Wohngrundbetrages, sollte die herkömmliche Leistung die Mietkosten nicht decken. Allerdings hätte das Land Salzburg hier mehr an Unterstützung herausholen können, merkt Torsten Bichler, Fachbereichsleitung Caritas Salzburg, an: „Auf den ersten Blick sieht die Erhöhung des Wohnbedarfs erfreulich aus, bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, dass die Spielräume des Grundsatzgesetzes in diesem Bereich besser genutzt werden könnten. Die Valorisierung der Wohnkosten und die bedarfsgerechte Anpassung des Lebensunterhalts, welcher auf Kosten der Wohnunterstützung für alle Betroffenen gekürzt wurde, wären ein wesentlicher Beitrag zur Armutsbekämpfung.“
Den Vorgaben des Bundes mutiger entgegentreten
Das fordern Vertreter*innen der Salzburger Sozialeinrichtungen, wie die Arbeiterkammer Salzburg. AK-Sozialexpertin Eva Stöckl dazu: „Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bietet Salzburg zahlreiche Spielräume, zB über die Härtefall-Regelung, höhere Wohnkosten und zusätzliche Sachleistungen. Diese wurden auch vom Verfassungsgerichtshof bestätigt und müssen von Salzburg genutzt werden. Der Sozialstaat hat sich in der aktuellen Krise wieder einmal als Rettungsanker erwiesen und gehört weiter ausgebaut. Eine armutsfeste Mindestsicherung stärkt Kaufkraft und sichert Arbeitsplätze.“
Keine Impfung gegen soziale Benachteiligung
Die sozialen Folgen der Pandemie werden in vielen Bereichen erst sichtbar werden. Arbeitslosigkeit, Mietschulden und insbesondere weibliche Einkommensverluste aufgrund von Homeschooling verschwinden auch dann nicht, wenn das Virus eingedämmt ist. Auch für Heinz Schoibl, Vertreter vom Forum Wohnungslosenhilfe und Helix - ForschungBeratung, ist die Deckelung der Wohnversorgung problematisch: „Zwar sind nun die Richtsätze für die Deckung der Wohnkosten erheblich großzügiger als bisher, dennoch kommt der Bedarf nach einer adäquaten Wohnversorgung weiterhin zu kurz. Usancen und Preise auf dem marktförmig organisierten privaten Wohnungsmarkt in Salzburg werden nicht beachtet und die langjährige Forderung eines rechtlich verankerten Menschenrechts auf Wohnen findet sich im Gesetzestext nicht wieder.“
Sozialhilfe-Fleckerlteppich
Die ersten Erfahrungen in OÖ und NÖ zeigen, dass die Neuregelung des SH-GG kein adäquates Mittel zur Armutsbekämpfung darstellt. Das Gegenteil tritt ein: Es zeigt sich inzwischen klar, dass die künftigen neun Ausführungsgesetze zu einem Wildwuchs an Regelungen, erhöhten Verwaltungskosten und Verunsicherungen führen werden. Daher fordert die Salzburger Armutskonferenz eine grundlegende Überarbeitung des sozialen Sicherungssystems auf Bundesebene. Für diesen Veränderungsprozess stehen die Armutskonferenz und deren Mitglieder mit ihrer Expertise gerne zur Verfügung.