Nach einleitenden Begrüßungsworten von Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn, Vorstandsmitglied und Studienleiter St. Virgil Gunter Graf wurde die 10. Regionale Armutskonferenz mit einem Vortrag von Dr. Tamara Ehs eröffnet.
Das demokratische System gerät gegenwärtig durch zwei Seiten unter Druck: je größer die Ungleichheit in einem Land, desto größer sind auch Misstrauen und Unzufriedenheit mit der Demokratie. Hinzu kommt der Faktor Korruption, welcher u.a. durch die Arbeit des Ibiza U-Ausschusses in einem bisher ungeahnten Ausmaß deutlich wurde.
Die Kunst der Krise bedeutet aber auch, anzuerkennen, dass es sich dabei längst um einen dauerhaften Zustand handelt. Denn auch vor der Pandemie waren bereits 1,2 Mio. Menschen in Österreich von Armut betroffen und bewegten sich aufgrund ihrer Situation statt in einem planbaren und stabilen Umfeld permanent in Situationen der Unsicherheit. Ein „Zurück zur Normalität“ kann demzufolge nicht das Ziel sein, bedenke man die strukturellen Probleme, welche durch die Krise lediglich verstärkt sichtbar wurden. Eine gute Sozialpolitik ist die Grundlage jeder Demokratiepolitik.
Denn während sich 45% des ökonomischen oberen Drittels als Teil der Demokratie in Österreich sehen, empfinden dies nur 12% des untersten Drittels. Diese Kluft zeigt sich auch bei der Analyse der politischen Partizipation, 20% des untersten Drittels beteiligen sich weder mittels wählen noch sonstigen Aktivitäten am demokratischen Entscheidungsprozess. Dem gegenübergestellt verzichten im obersten Drittel 3% und im mittleren Drittel 9% auf eine Form der Beteiligung. Die politischen Folgen sozialer Ungleichheit führen einer Langzeitstudie zufolge (Denise Traber et al. (2021) Social status, political priorities and unequal representation, in: European Journal of Political Research) dazu, dass sich politische Entscheidungen an den Präferenzen der Wohlhabenden orientieren, während jene der Armutsbetroffenen und Armutsgefährdeten kaum wahrgenommen werden.
Teil der Lösung sind der Demokratieberaterin zufolge Bürgerräte, sie selbst evaluierte 2021 einen Bürgerrat zum Thema Klima - Zukunft in Vorarlberg, woraus sie auch einige Zitate Armutsbetroffener in ihren Vortrag integrierte: "Es betrifft eigentlich jeden. Nur schwerer erwischt es immer die Leute, die sowieso schon am Kämpfen sind".
Input: Dr. Tamara Ehs ist Demokratieberaterin für Städte und Gemeinden und politische Bildnerin, v.a. für Erstwähler:innen. Sie ist Beiratsmitglied der Europäischen Demokratiehauptstadt und des Bürgerforums Europa. Ihre Forschung und Lehre konzentrieren sich auf die sozialen Fragen von Demokratie und Verfassung, auf politische Aspekte der Verfassungsrechtsprechung sowie auf die Herausforderungen der europäischen Integration. Tamara Ehs ist u.a. Trägerin des Wissenschaftspreises des österreichischen Parlaments sowie des Ludo Hartmann-Preises des Verbands Österreichischer Volkshochschulen. Für ihre jüngste Studie zur Ungleichheit in der Demokratie wurde sie gemeinsam mit Martina Zandonella (Sora-Institut) mit dem Kurt Rothschild-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.